In der Antike bestand Griechenland aus verschiedenen autonomen Kleinstaaten, den Poleis (Sg. Polis). Jede Polis bestand aus einer Stadt und den umliegenden landwirtschaftlichen Gebieten (Chora). Fruchtbares Land war die Voraussetzung für die Entwicklung der Polis, ebenso der Zugang zum Meer. Eine Polis war in erster Linie eine Gemeinschaft von Bürgern, die von den Bürgern selbstverwaltet wurde. Die Polis war ausserdem das Zentrum der gesellschaftlichen, kulturellen und religiösen Identität. Die meisten Poleis waren ähnlich aufgebaut. Sie bestanden aus öffentlichen Gebäuden und Areale, zu denen die Agora (Marktplatz), die Heiligtümer und die Nekropolen (Begräbnisstätten) gehörten. Weitere wichtige Bauten waren die Stadtmauer mit diversen Stadttoren, eine Akropolis (Höhenstadt, Burg), falls vorhanden eine Hafenanlage und diverse Handwerker- und Wohnquartiere. Eine Polis besass zudem eine eigene Wirtschaftsform, Währung und ein Heer.
Beispiel Athen
Athen war während der Klassik eine der mächtigste und flächenmässig grösste Polis Griechenlands und gilt, so wie auch Sparta, als eine modellhafte Polis. Neben den zahlreichen archäologischen Quellen berichten viele Schriftquellen über die Geschichte und Architektur Athens. Athen ist eine sogenannte gewachsene Stadt. Dies bedeutet, dass sie nicht planmässig gegründet und aufgebaut wurde, sondern mit der Zeit wuchs und sich der natürlichen Topographie anpasste. Athen liegt in einer vom Fluss Kephisos gespeisten fruchtbaren Ebene und ist im Nordwesten, Norden und Südosten von Gebirgszügen umgeben. Die Stadtgeschichte Athens reicht bis in die Bronzezeit zurück. Aus der mykenischen Zeit ist auf der Akropolis ein Palast bezeugt, der um 1200 v.Chr. aufgegeben wurde. Im 8. Jh. / 7. Jh.v.Chr. entstand die Polis Athen als politisches Zentrum der Region Attika. In der Klassik (5. Jh.v.Chr.) nahmen die Bautätigkeiten in Athen zu. Aus dieser Zeit stammen viele Bauten, die der Repräsentation und Identitätsbildung dienten. Nach der Niederlage Athens im Peloponnesischen Krieg gingen die Bautätigkeiten zurück. Im Hellenismus und der römischen Zeit wurde die Bautätigkeit stark von den Herrschern ausserhalb Athens beeinflusst.
EXKURS: Wie Athen zu seinem Namen kam
Laut der mythologischen Überlieferung stritten sich Poseidon, der Gott der Meere, und Athena, die Göttin der Weisheit und des Krieges, um die Vorherrschaft über Athen. Um den Streit endgültig zu schlichten, wurde beschlossen, dass die beiden den Menschen von Athen ein Geschenk machen sollten. Die Schutzherrschaft über Athen soll derjenigen Gottheit zuteil kommen, die das bessere Geschenk darbrachte. Poseidon stiess mit seinem Dreizack in einen Felsen und liess eine Salzwasserquelle sprudeln. Athena hingegen pflanzte einen Olivenbaum. Die Menschen entschieden sich für den Olivenbaum und somit für Athena, die fortan die Schutzherrin von Athen wurde.
Die wichtigsten architektonischen Elemente Athens
Agora: Die Agora (Marktplatz) war seit dem 8. Jh.v.Chr. der wichtigste Ort des öffentlichen Lebens. Dort wurde gehandelt, Feste gefeiert, Volksversammlungen abgehalten und Recht gesprochen. Es war ein politisches, wirtschaftliches, rechtliches und religiöses Zentrum. Die ältesten Spuren der Athener Agora datieren in das 6. Jh.v.Chr. Im Laufe der Zeit wurde die Agora mehrfach umgebaut, alte Gebäude wurden abgerissen, neue wurden hinzugefügt.
Akropolis: In jeder Polis befand sich in der Regel auf einer erhöhten Lage die Akropolis (Oberstadt, Burg). Die Akropolis war befestigt und enthielt die wichtigsten Gebäude der Stadt. Meistens befand sich auch das Hauptheiligtum auf der Akropolis. In Athen liegt die Akropolis auf einem Felsen, der Zugang war nur von Westen gegeben. Ab dem 8. Jh.v.Chr. erlangte die Akropolis die Bedeutung als religiöses Zentrum. Beim Einfall der Perser im Jahre 480 v.Chr. wurden grosse Teile der Akropolis zerstört. Eine Neuerrichtung erfolgte unter Perikles in den Jahren ab 447 v.Chr. Zu den Bauten der Klassik gehören der Parthenon (Tempel der Athena), die Propyläen (Eingangsbau), der Tempel der Athena Nike und das Erechtheion.
Parthenon: Der Parthenon war der grösste Tempel auf der Akropolis und der Göttin Athena geweiht. An der Stelle des klassischen Parthenon stand ein Vorparthenon, der vermutlich zwischen 500 und 480 v.Chr. errichtet und beim Einfall der Perser im Jahre 480 v.Chr. zerstört wurde. Von 447 – 432 v.Chr. wurde der neue Parthenon gebaut. Der Tempel galt zurzeit seiner Erbauung als der grösste Marmorbau in Griechenland.
Areopag: Der Areopag (Areshügel) ist ein Felsen unterhalb der Akropolis. Es war der Ort, an dem Recht gesprochen wurde. Wie der Ort wurde auch der oberste Rat Areopag genannt, dessen Verantwortung die Blutgerichtsbarkeit war.
Pnyx: Die Pnyx ist ein Hügel westlich der Akropolis, auf dem im 6. Jh.v.Chr. ein Platz für die Volksversammlung (Ekklesia) eingerichtet wurde. Von etwa 508 bis 330 v.Chr. tagte die Ekklesia an dieser Stelle.
Dionysos-Theater: Das Dionysos-Theater wurde im 5. Jh.v.Chr. am Südabhang der Akropolis errichtet. Es gilt als eines der wichtigsten Theater im antiken Griechenland und ist der Überlieferung nach die Geburtsstätte des antiken Dramas. Dort fanden die Festspiele zu Ehren des Dionysos statt, bei denen Tanz, Gesang und Theater aufgeführt wurden.
Kerameikos und Dipylon: Der Kerameikos war eine sumpfige Ebene, in der die Töpferwerkstätten lagen. Dieser lag ausserhalb des Stadtgebietes bei der Stadtmauer, da von Töpferwerkstätten immer eine grosse Brandgefahr ausgeht. Seit der Bronzezeit war der Kerameikos auch die Begräbnisstätte von Athen. Im Kerameikos lagen die Staatsgräber – Grabstätten bedeutender Athener und im Krieg gefallener Männer. Ab 430 v.Chr. wurden auch private Grabstätten von Familien errichtet. Das Dipylon war das Stadttor beim Kerameikos.
Römische Agora: Neben der eigentlichen Agora ist die Römische Agora der zweite wichtige Marktplatz in Athen. Sie wurde von 19 – 11 v.Chr. im Auftrag von Kaiser Augustus erbaut. Der Platz war ein mit Säulen umgebener Platz, in dessen Säulengang Geschäfte untergebracht waren. Auch der sogenannte Turm der Winde, ein Uhr- und Wetterturm sowie die Hadriansbibliothek standen auf dem Platz.


EXKURS: Pausanias (ca. 115 – 180 n.Chr.)
Von den antiken Schriftstellern stechen besonders die Werke des Reiseschriftstellers und Geograph Pausanias hervor. In seinem Werk «Beschreibung Griechenlands» (Ἑλλάδος Περιήγησις), werden die wichtigsten Provinzen Griechenlands, darunter auch Attika und Athen, beschrieben. Dabei beschrieb er nicht nur die Landschaft, sondern auch Traditionen, historische Erklärungen, Mythen und die wichtigsten Baudenkmäler der jeweiligen Region.
Begriffe Bürger: Im antiken Griechenland galten nur erwachsene, freie Männer als Bürger. Dionysos: Gott des Weins Erechtheion: Dieser Bau steht an der Stelle des mykenischen Palastes. Der Palast war der Sitz des mythischen Königs Erechtheus Gymnasion: Sport- und Bildungsstätte für jugendliche Männer. Olympieion: Tempel des Zeus. |
Diskussionsvorschlag Diskutiert den Zusammenhang zwischen den Bautätigkeiten in Athen und der politischen Geschichte. Was kann mit dem Bau von Monumenten ausgedrückt werden? |
Literatur Goette, H. R. / Hammerstaedt, J., Das antike Athen. Ein literarischer Stadtführer (München 2004) Günther, L.-M., Griechische Antike (2011 Tübingen) Hölscher, T. Öffentliche Räume in frühen griechischen Städten (Heidelberg 1999) Hölscher, T. Klassische Archäologie. Grundwissen (Darmstadt 2006) Pausanias, Reisen in Griechenland. Eckstein, F. (Hrsg.), Gesamtausg. in 3 Bd, Die Bibliothek der Alten Welt Griechische Reihe 3 (Zürich 1989) Schollmeyer, P., Handbuch der antiken Architektur (Darmstadt 2013) Wittke, A.-M., Eckart, O., Szydlak, R., Historischer Atlas der antiken Welt (Stuttgart 2012) |
Letzte Änderung: 14.11.2020