Die neolithische Revolution ist ein wichtiges Kapitel in der Menschheitsgeschichte. Obwohl der moderne Homo sapiens bereits seit etwa 200’000 Jahren existierte, begannen die Menschen erst vor etwa 10’000 Jahre Landwirtschaft zu betreiben. Die neolithische Revolution beschreibt das Ereignis, bei dem die Menschen aufhörten, als mobile Jäger und Sammler zu leben und sich stattdessen sesshaft niederliessen und Landwirtschaft und Viehzucht betrieben. Der Wandel war natürlich kein abruptes Ereignis, sondern ein Prozess, der sich über 2000 bis 5000 Jahre hinzog. Da der Prozess so lange dauerte, ist es irreführend, von einer «Revolution» zu sprechen. In der heutigen Forschung ist daher der Begriff «Neolithische Evolution» oder «Neolithisierung» gebräuchlicher. Der Neolithisierungsprozess setzte vor 11’500 Jahren in Vorderasien ein und verbreitete sich von dort aus nach Europa.
Der Fruchtbare Halbmond
Der Neolithisierungsprozess nahm in einem Gebiet ihren Anfang, welcher «Der Fruchtbare Halbmond» genannt wird (Abb. 1). Er umfasst das Gebiet von der Sinai-Halbinsel in Ägypten bis zum Zagros-Gebirge im Iran/Irak. Der Fruchtbare Halbmond wird durch natürliche Grenzen eingegrenzt. Im Westen durch das Mittelmeer und im Norden durch das Taurusgebirge. Im Süden liegen die Grenzen zwischen den ariden und semiariden Steppen und Wüstenlandschaften Syriens und des Iraks. Im Osten grenzt das Zagros-Gebirge den Fruchtbaren Halbmond ab. Der Fruchtbare Halbmond gilt als Ursprungsgebiet vieler domestizierten Getreide– und Tierarten. Die dortigen Weideflächen waren wichtige Nahrungsquellen für Menschen und Tiere.

Klimawandel um 11’500 v.Chr. – War es eine gute oder schlechte Veränderung?
Die Neolithische Evolution fällt in den Übergang Pleistozän zum Holozän (siehe Kapitel «Paläoklima»). Das Pleistozän ist die erdgeschichtliche Stufe, die vor 2,4 Mio. Jahren begann und vor 11’500 Jahren endete. Auf das Pleistozän folgt das Holozän, eine Warmzeit, die bis in die Gegenwart andauert. Am Ende des Pleistozäns ist ein Klimasturz zu verzeichnen, die sogenannte Jüngere Dryas (12’800-11’500 Jahre vor heute). Während der Jüngeren Dryas war das Klima kühler und trockener als der heutige Durchschnitt. Um 11’500 vor heute kam es dann zu einer deutlichen Klimaerwärmung. Dieser vollzog sich innerhalb von nur etwa 20 Jahren und führte zu einem Temperaturanstieg von 4 bis 7 °C und erhöhten Niederschlag. Diese abrupte Klimaerwärmung hatte auch einen erheblichen Einfluss auf die Vegetation. Besonders in den Küstenregionen und den Flusstälern breiten sich Wälder aus und im Vorderen Orient wurde die Saisonalität stärker ausgeprägt, mit heissen Sommern und kalten Wintern. In der heutigen Forschung wird davon ausgegangen, dass die Klimaerwärmung ein wichtiger Faktor in der Entwicklung der Landwirtschaft war. Das wärmere und feuchtere Klima begünstigte den Ackerbau.
Vom Jagen und Sammeln zur Landwirtschaft
Die Frage, weshalb die Menschen sesshaft wurden und begannen Landwirtschaft zu betreiben, konnte bisher nicht endgültig erklärt werden. Wichtigste Voraussetzung für die Domestikation von Pflanzen und Vieh ist, neben den klimatischen Bedingungen, das natürliche Vorkommen der Wildpflanzen, die domestiziert werden können. Ausserdem braucht es fruchtbaren Boden und genügend Wasser. Dies war im Fruchtbaren Halbmond der Fall. Im Zuge der Pflanzenkultivierung wurden Weizen, Gerste, Einkorn, Emmer, später Flachs, Linsen und Erbsen domestiziert. Bei der Domestikation von Getreide wird eine Wildpflanze durch gezielte Selektion genetisch verändert, sodass die Pflanze ertragreicher wird. Nach Getreide wurden auch Tiere wie Ziegen und Schafe domestiziert, später kamen Rinder und Schweine dazu. Bei der Entwicklung der Landwirtschaft spielte die geographische Gegebenheit eine wichtige Rolle. Nicht an allen Orten konnte sich die Landwirtschaft gleich schnell entwickeln. In einigen Fällen gelangte die Saat durch Migration und Austausch in Gebiete ausserhalb der Wildbestände. An anderen Orten wiederum fand der Neolithisierungsprozess nie statt, wie in den unfruchtbaren Gebieten Südmesopotamiens.
Sesshaftwerdung und gesellschaftlicher Wandel
Zwischen Sesshaftwerdung und Entwicklung der Landwirtschaft besteht ein enger Zusammenhang. Doch was war zuerst? Einerseits ist Landwirtschaft nur dann möglich, wenn die Menschen einen permanenten Wohnsitz haben. Andererseits ist ein sesshafter Lebensstil nur dann möglich, wenn die Menschen permanent Ressourcen an ihrem Wohnsitz beziehen können. Die Sesshaftwerdung und Landwirtschaft brachte auch die Herausbildung von verschiedenen Technologien mit sich, unter anderem die Entwicklung von landwirtschaftlichen Geräten wie Sicheln, Reibsteine oder Vorratstöpfe, ebenso neue Bauweisen von Wohn- und Lagerhäusern. Archäologen konnten nachweisen, dass im Zuge der Neolithisierung auch die Grösse der Siedlungen wuchs, was auf Bevölkerungswachstum schliessen lässt.
Begriffe Domestikation: Die gezielte Veränderung von wildem Getreide zu Kulturpflanzen und von wilden Tieren zu Haustieren. Durch Selektion werden die Wildbestände genetisch verändert, so dass sie mit der Zeit ertragreicher werden. Kultivierung: Unter Kultivierung werden alle Tätigkeiten zusammengefasst, die im Zusammenhang mit dem Anbau von Pflanzen stehen (Bodenbearbeitung, Aussaat, Ernte, etc.) Holozän: Zeitabschnitt der Erdgeschichte von ca. 12’000 Jahren vor heute bis zur Gegenwart. Gekennzeichnet durch die Klimaerwärmung nach der Eiszeit. Pleistozän: Zeitabschnitt der Erdgeschichte von 2,4 Mio. bis 12’000 Jahre vor heute. Das Pleistozän was das Zeitalter der Eiszeiten. |
Take Home Message – Das wichtigste in Kürze Innovationen des Neolithikums: – Sesshaftigkeit, die Errichtung von dauerhaft bewohnten Siedlungen – Ackerbau und Viehzucht – Ausbildung einer arbeitsteiligen Gesellschaft – Herstellung von Keramik – Herstellung von landwirtschaftlichen Geräten – Ausbildung einer stärkeren Hierarchisierung innerhalb einer Gemeinschaft |
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Letzte Änderung: 01.11.2020